Unangemessene Inhalte – Die Bilder, die nicht mehr verschwinden

Marie war zehn Jahre alt, lebte in einem kleinen Ort und liebte es, mit ihrer Katze Momo im Garten zu spielen. Sie mochte Geschichten über mutige Kinder, die Rätsel lösten, und sie bastelte gerne – vor allem bunte Traumfänger. Seit kurzem hatte sie ein eigenes Tablet, das ihre Eltern mit einer Kindersicherung ausgestattet hatten. Eigentlich.

An einem Samstagabend suchte Marie auf YouTube nach einem Bastelvideo für eine selbstgemachte Laterne. Ein Link führte sie zu einer anderen Seite – und mit einem Klick war alles anders. Plötzlich öffneten sich Bilder. Schnelle, flackernde Szenen. Erwachsene in Situationen, die Marie nicht verstand, aber die sich sofort falsch anfühlten.

Sie wollte das Fenster schließen – doch neue tauchten auf. Mehr Bilder. Noch lauter. Noch schlimmer. Maries Herz raste. Ihre Hände zitterten. Als es endlich gelang, alles zu schließen, fühlte sie sich, als hätte sie etwas Verbotenes getan. Schmutzig. Obwohl sie nur nach einer Bastelanleitung gesucht hatte.

In den nächsten Tagen war Marie verändert. Still. Abwesend. Sie hatte Albträume, schlief schlecht, erschrak bei lauten Geräuschen. Ihre Eltern fragten, ob etwas passiert sei, doch Marie schüttelte nur den Kopf. Sie hatte Angst, dass sie schimpfen würden. Dass sie denken könnten, sie sei „selbst schuld“.

In der Schule konnte sie sich nicht konzentrieren. Ihr Kopf war voll. Immer wieder tauchten die Bilder auf – wie Schatten, die nicht verschwinden wollten.

Erst als ihre Lehrerin ein Gespräch über „komische Inhalte im Internet“ führte, brach Marie in Tränen aus. Und erzählte alles.


Die Auswirkungen auf Marie
Marie hatte unbeabsichtigt Inhalte gesehen, die nicht für Kinder gemacht waren – und ihr kleines, sensibles Weltbild erschüttert hatten. Was sie sah, konnte sie nicht einfach vergessen. Sie fühlte sich überfordert, verwirrt und schuldig, obwohl sie keine Schuld trug. Ihr Vertrauen in das Internet war erschüttert – und in sich selbst auch.

Doch ihre Eltern reagierten anders, als sie es befürchtet hatte: Sie nahmen sie ernst, machten ihr keine Vorwürfe. Stattdessen erklärten sie ruhig, was passiert war, und halfen ihr, die Gefühle zu sortieren. Auch eine Kinderpsychologin unterstützte Marie dabei, wieder Sicherheit zu spüren – und zu lernen: Es ist okay, über schlimme Dinge zu sprechen.


Maries neue Mission
Ein halbes Jahr später gründete Marie mit ihrer Schulsozialarbeiterin eine AG namens „Sicher im Netz – stark im Kopf“. Sie basteln Warnplakate, spielen Rollenspiele und lernen, wie man sich schützt.

Und auf jedem Plakat steht ihr Lieblingssatz:

„Wenn dich etwas im Netz erschreckt, dann bist nicht du falsch – sondern das, was du gesehen hast.“